Von den letzten funktionsfähigen Wassermühlen auf Kreta

Es gibt wahrscheinlich keine Insel des Mittelmeers, die in alter Zeit eine so große Zahl von Wassermühlen aufzuweisen hatte, wie die größte der griechischen Insel: Kreta. Eine große Zahl davon war bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in vollem Betrieb

Der Mahlbetrieb wurde aufgegeben und die Mühlenanlagen und Gebäude waren dem rapiden Verfall preisgegeben. Aber noch in den 1990er Jahren gab es verstreut über die 260 km lange Insel ein paar Wassermühlen, in denen noch regelmäßig für Kunden Getreide gemahlen wurde. Diese haben wir damals aufgespürt und abgefahren und haben dieses in den vergangenen drei Jahren noch einmal wiederholt.

In Ano Zakros, dem Dorf oberhalb des bekannten minoischen Palastes an der Ostküste, war im Jahre 1998 noch eine der 6 Wassermühlen des Dorfes in Betrieb. Der Besitzer erklärte damals, dass die Mühle mit ihrem einen Mahlgang noch an einem Termin der Woche mit Wasserkraft Getreide mahlte. Im Jahre 2015 war das alte Mühlengebäude renoviert, der funktionale Wasserfallschacht (Arubah) aus Beton war an der Stirnseite mit Bruchsteinen dekorativ verkleidet worden und die Mühle zu einem stilvollen Kafenion unter Beibehaltung der alten Mahleinrichtung umgestaltet worden. Wasser fließt jetzt nicht mehr und gemahlen wird auch nicht mehr. Die 4 Mühlen oberhalb wurden mit ihren Leitungsmauern und Fallschächten ebenfalls restauriert und in einer ein kleines Wassermuseum mit regelmäßigen Öffnungszeiten eingerichtet (Di.-So. 10.30-1300, 17.30-21 Uhr – wir waren natürlich zur falschen Uhrzeit vor Ort) .

An den südlichen Abhängen des Psilorithis (Berg Ida) liegt der wasserreiche Ort Ano Zaros. Eine der Mühlen des Dorfes, am Platz namens Kato Votomos neben dem Idi-Hotel, besuchten wir 1997. Der alte Müller Michalis Fragiadakis („der letzte Müller Kretas“) wohnte damals noch in der 400 Jahre alten Mühle und mahlte, wie er berichtete, noch regelmäßig für Kunden. Die Mühle mit ihrem 12 Meter hohen Fallschacht und eisernem Horizontalrad mahlte 80 kg. Getreide pro Stunde. Im Jahre 2016 ist die Mühle noch funktionsfähig. Gemahlen wird aber nur noch zu Schauzwecken. Das Gebäude wurde hier ebenfalls „aufgehübscht“ und ist als eine Art volkskundliches Museum frei zugänglich.

Im Jahre 1997 wurde auch in einer der unterhalb von Argiroupolis in der Präfektur Rethimno befindlichen Mühlen mit doppeltem Wasserzulauf und Mahlgang noch gemahlen. Eine Taverne „Palaio Mylos – Le Vieux Moulin“ ist ihr vorgebaut, so dass man von der Gaststube aus die hölzernen Wasserräder sehen kann. Der Besitzer erklärte in einem längeren Gespräch, dass die Düse auf dem Wasseraustrittsrohr auf das Wasserrad je nach saisonal verfügbarer Wassermenge austauschbar ist. Bei einem Durchmesser von 3,5 cm wird 80 kg Getreide pro Stunde vermahlen; bei einem Durchmesser von 6,5 cm sind es 180 kg/Stunde. Ob diese Mühle zwei Jahrzehnte später noch funktionsfähig ist, ließ sich bei einem erneuten Besuch vor Ort 2012 nicht feststellen, da die Taverne im Oktober bereits geschlossen ist.

Das sind die einzigen mir bekannten Wassermühlen auf Kreta, die aktuell noch funktionstüchtig sind. Einige wenige Mühlen wurden in den letzten Jahren mit EU-Mitteln zwar restauriert, aber die Funktionstüchtigkeit nicht mehr wieder hergestellt. So geschehen Anfang der 2000 Jahren bei einer (!) von 19 Mühlen in der Miloniano-Schlucht (Pano Mili) bei Rethimno und 2013 bei der Dreifach-Mühle im mittelkretischen Bergdorf Spili. Hunderte dieser Denkmäler der Technikgeschichte in Tälern und Dörfern Kretas verfallen unterdessen weiter ohne Gegenmaßnahmen. 

 © Dr. Ralf Kreiner (RMDZ), Elfriede Plaum 2016